Museum Schirn magazine interviews Burnt
German interview on “Secret Rhythms”, concert July 8th
Am 8. Juli wird die große Schau von Doug Aitkin eröffnet und gleichzeitig das alljährliche SCHIRN-Sommerfest gefeiert. Musikalisch bereichern werden diesen Abend die Musiker Bernd (alias Burnt) Friedmann und Jaki Liebezeit. Das Duo spielt seit 2000 zusammen und veröffentlicht auf dem von Friedmann betriebenen Label nonplace die Albumreihe Secret Rhythms. Mit ihrer Musik wollen sie sich von westlichen und angloamerikanischen Rhythmusmustern abwenden. Das Einordnen ihrer Musik hingegen, gelingt kaum. Beste Voraussetzung für ein dichtes und zuweilen philosophisches Gespräch mit Bernd Friedmann.
SchirnMag: Was wird die Zuhörer bei Ihrem SCHIRN Auftritt erwarten?
Bernd Friedmann: Was Jaki und ich machen, basiert auf unterschiedlichsten Rhythmen. Es sind „secret rhythms“. Aber nicht im Sinne von versteckten Rhythmen, sondern es sind selten gehörte. Im Jazz ist es nicht unüblich, dass man mit ungeraden Rhythmen arbeitet, aber die Art und Weise, wie wir diese Regeln anwenden, ist radikal unterschiedlich zu Jazz oder der Musik westlicher Prägung.
Wir spielen so, wie der Rhythmus es verlangt. Jaki würde sagen, er spiele die Trommel so, wie die Trommel es möchte. Wir nehmen uns als Musiker, als Solisten sehr zurück. Das Bewegungsmuster ist das Entscheidende.
SM: Wie würden Sie Ihre Musik beschreiben?
BF: Im Grunde ist es Tanzmusik. Und es ist Musik, die das Akustische und das Elektronische verbindet. Für mich ist die Elektronik das Versprechen, dass man etwas Neues hört. Etwas, das nicht an andere musikalische Idiome erinnert. Das Entscheidende für mich sind das Geräusch und der unverbindliche Sound, die nicht einem Genre zuzuordnen sind.
SM: In der Tat ist es schwierig, Ihre Musik einem Genre zuzuordnen.
BF: Rubriken berücksichtigen die Oberfläche, den Klang einer Musik. Die Rockgitarre oder eine indische Sitar, zum Beispiel, verweisen sofort auf das Genre. Wir sind mit unserer Musik hingegen keinem Genre oder keiner Tradition verpflichtet, das entspricht auch nicht unserem Wirken. Ähnlichkeiten zu anderen Musiken bestehen wenn überhaupt im Strukturellen, nicht im Klang. Zum Beispiel ist unsere Musik der Methode nach derjenigen der Gnawa in Marokko sehr verwandt.
SM: Ihre Herangehensweise an die Musik wirkt sehr methodisch. Welche Rolle spielt der emotionale Aspekt für Sie?
BF: Man muss es schaffen, beide Kräfte zu verbinden. Ich verweigere mich jedoch dem Sprechen über die emotionale Seite, das ist wenig zielführend, weil jeder von uns anders über Musik empfindet. Wir suchen als Musiker weniger den persönlichen Ausdruck, sondern arbeiten mit dem, was aus der Bewegung herauskommt. Wir sind selbst manchmal überrascht, wie sich Muster in einem anderen Kontext, auf einer anderen PA anhören. Und fragen uns dann auch, was ist das jetzt für ein Rhythmus? Plötzlich hören wir ihn anders. In Live-Situationen müssen wir dann damit umgehen und darauf reagieren.
SM: Kann man dieses „darauf-Reagieren“ mit dem Improvisieren im Jazz vergleichen? Nur dass Sie nicht auf einen Musikerkollegen reagieren, sondern auf die Umgebung?
BF: Bei uns sind einige Elemente vorgegeben. Wir einigen uns im Vorfeld etwa auf den Rhythmus. Zudem arbeite ich mit dem Computer und habe darauf etwa 16 Spuren mit vorproduzierten Sequenzen. Aber wie ich die mische, wie die rüber kommen, ist offen. Viel hängt vom Raum ab. Das Foyer der SCHIRN ist nicht ganz unproblematisch mit dem Hall. Wir werden darauf reagieren müssen, indem wir wahrscheinlich nicht zu viele Elemente gleichzeitig benutzen. Jaki vergleicht Live-Situationen gerne mit einem Fußballspiel: Die Regeln sind klar, wie aber das Spiel verläuft, nicht. Der Begriff der Improvisation ist vorbelastet, wenn auch unser Spielen dem Jazz nicht ganz unähnlich ist. Jedenfalls wenn man Improvisation auch als das Abrufen von gelernten Schemata versteht. Es ist schwierig zu sagen, man könne aus dem Nichts etwas hervorrufen oder dem Zufall überlassen.
SM: Welche Rolle spielt der Jazz in Ihrer Musik?
BF: Wir haben beide einen Jazzbackground. Jaki hat in den 60er Jahren mit dem Manfred Schoof Quintet sogar Free Jazz gespielt. Aber seiner Meinung nach hat sich Jazz in dieser Zeit auch ausgetobt und ist seit Ende der 60er beendet. Ich habe in den 90ern viel mit Jazzmusikern zusammengespielt. Wenn man zwei Kriterien des Jazz nimmt, die nicht direkt auf das Idiom verweisen, also dass es swingt und improvisiert ist, dann machen wir eine Art von Jazz. Nicht aber eine, die den Sound und die Oberfläche betrifft.
Wenn man konstatiert, dass Jazz eine amerikanische Musik ist, dann wird man ihn bei uns nicht finden. Wir versuchen grundsätzlich, alle amerikanischen Bezüge zu vermeiden. Bei uns wird man keinen Coca Cola-Geschmack hören können. Wir sind bis heute dominiert von amerikanischen oder angloamerikanischen Musikkonzepten. Unser Interesse aber galt schon immer der traditionellen Trommelmusik und deren Expertise liegt definitiv nicht im Westen.
SM: Sie haben gesagt, dass Sie sich Rubriken entziehen möchten. Wie aber bezeichnen Sie Ihre Musik?
BF: Mir gefällt der Begriff Ritualmusik. Ich denke an den zeremoniellen Charakter von Musik. Unsere Stücke kennen eigentlich keinen Anfang und kein Ende. Wenn man sie einmal ins Laufen gebracht hat, möchte man nicht, dass sie aufhören. Das ist eigentlich auch nicht vorgesehen, denn nach 20 Minuten können die Rhythmen noch einmal eine ganz andere Qualität entwickeln. So gesehen ist der konzertante Rahmen eigentlich nicht der, in den wir reinpassen, zumal ein Konzert oft mit einer Show verwechselt wird. Wir machen aber keine Show. Wir spielen einfach die Musik, ohne Inszenierung. Die ganze Konzentration geht in das Spielen, da haben wir keine Zeit, die Arme in die Höhe zu werfen. Wir sitzen auch und tanzen nicht.
Das Interview führte MARTHE LISSON